Neuigkeiten |

Unbeliebter Eigenmietwert

12.02.2020

Wer vom Umzug in die eigenen vier Wände träumt, muss auch den Eigenmietwert einkalkulieren. Bild zvg, Text Christian Nussbaumer (zur Person: Der diplomierter Treuhand-Experte Christian Nussbaumer ist Treuhand-Unternehmer und Präsident von Treuhand Suisse Sektion Zürich)

Der Eigenmietwert in der Schweiz hat viele Leben. Obwohl er seit Jahren in der Kritik steht, kommen die Bemühungen, ihn abzuschaffen, nur schleppend voran.

Wenn jemand in den eigenen vier Wänden wohnt, erhöht sich automatisch sein Einkommen – zumindest beim Ausfüllen der Steuererklärung. Denn dort wird das reguläre steuerbare Einkommen um einen virtuellen Eigenmietwert aufgestockt. Es handelt sich dabei um einen theoretischen Wert, den der Besitzer durch das Vermieten der Liegenschaft einnehmen würde. Dieser Betrag, der von Kanton zu Kanton unterschiedlich ist, erhöht natürlich die Steuerrechnung. Ins Gewicht fällt der Einkommenszuwachs vor allem für ältere Eigenheimbesitzer, die eine AHV-Rente und kein Lohneinkommen zu versteuern haben und die ihre Hypothek bereits weitgehend amortisiert haben. Im Gegenzug geniesst der Immobilienbesitzer für selbst genutztes Wohneigentum verschiedene Abzugsmöglichkeiten: für Hypothekarzinsen, für Unterhaltskosten, für energetische Sanierungen.
Die Grundidee hinter dem Eigenmietwert ist, die Gleichbehandlung von Eigentümern und Mietern zu gewährleisten, da letztere fürs Wohnen keine Steuerabzüge geltend machen können.

Worum es wirklich geht
Der Eigenmietwert kam schon verschiedentlich unter Beschuss. Auch jetzt steht einmal mehr seine Abschaffung zur Diskussion. Aber aufgepasst: Wenn man umgangssprachlich von der «Abschaffung des Eigenmietwerts» spricht, greift das zu kurz. Es ist keineswegs so, dass einfach der Eigenmietwert verschwinden soll, während die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten erhalten bleiben. Vielmehr geht es bei der jetzt zur Diskussion stehenden Gesetzesrevision um einen grundsätzlichen Systemwechsel bei der Besteuerung von Wohneigentum. Das ist in der Sache ausgesprochen knifflig. Und ob ein Systemwechsel für Wohneigentümer wirklich eine steuerliche Verbesserung bringt, ist nicht a priori klar.

Mehr Gleichstellung
Für den Bund stehen zwei übergeordnete Ziele im Vordergrund. Erstens soll der vorgeschlagene Systemwechsel bei der Besteuerung von Wohneigentum dazu beitragen, die hohe private Verschuldung – in der Form von Hypothekarschulden – zu reduzieren, weil diese auf lange Sicht ein volkswirtschaftliches Risiko darstellt. Zweitens soll die neue Handhabung der Gleichstellung von Mietern und Wohneigentümern besser Rechnung tragen. Aus dem Gesetzesentwurf, der seit April 2019 auf dem Tisch liegt, kristallisieren sich vier Stossrichtungen heraus:

Eigenmietwert und Abzüge sollen entfallen. Für am Wohnsitz selbstbewohntes Wohneigentum soll der Eigenmietwert sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene abgeschafft werden. Gleichzeitig sollen die bisherigen Abzugsmöglichkeiten aufgehoben werden. Eine Sonderbehandlung sollen hingegen die Abzüge für Energiesparen, Umweltschutz, Denkmalpflege und Rückbau erfahren: Auf Bundesebene sollen sie aufgehoben werden, die Kantone hingegen können solche Abzüge auch weiterhin gewähren.

Ausnahme Zweitliegenschaften. Selbstgenutzte Zweitliegenschaften, beispielsweise Ferienwohnungen, sollen vom Systemwechsel ausgenommen sein. Hier soll mehr oder weniger alles beim Alten bleiben.

Weniger oder kein Abzug von Hypothekarschulden. Der Gesetzesentwurf skizziert verschiedene Varianten, um die heutigen Steuerabzüge für private Schulden zu beschränken oder sogar ganz abzuschaffen. Unabhängig davon, welche Variante sich durchsetzen wird – mit dem Systemwechsel soll die Handhabung von privaten Schuldzinsen deutlich strenger werden.

Erstmaliger Erwerb von Wohneigentum. Um es insbesondere für jüngere Menschen einfacher zu machen, Wohneigentum zu erwerben, soll neu ein sogenannter Ersterwerberabzug eingeführt werden. Dieser Steuerabzug von anfänglich maximal 10 000 Franken soll über zehn Jahre hinweg gewährt werden und linear abnehmen.

Hitzige Diskussion, offener Ausgang
Im Frühjahr 2019 hat die zuständige Ständeratskommission diesen Gesetzesentwurf vorgelegt. Die Rückmeldungen aus der anschliessenden Vernehmlassung belegen, wie umstritten dieses Geschäft ist. Die Vorbehalte von verschiedenen Interessengruppen und Kantonen sind gross.
Das gleiche Bild hat sich in der anschliessenden Diskussion im Ständerat gezeigt. Um einen Ausweg zu finden, dreht die Ständeratskommission, die für den Gesetzesentwurf zuständig ist, jetzt eine Extraschlaufe. Sie hat den Gesetzesentwurf im November 2019 zur Beurteilung an den Bundesrat weitergespielt. Wenn sich der Bundesrat geäussert hat – dieser Zeitpunkt ist noch nicht absehbar – geht die Diskussion im Parlament weiter. Klar ist, bis der Systemwechsel bei der Besteuerung von Wohneigentum spruchreif ist, dürfte es noch ein Weilchen dauern.

Knacknuss Zweitwohnung
Zu den heiklen Diskussionspunkten gehört die Frage, wie man mit Zweitwohnungen umgehen soll. Der Entwurf sieht vor, den Eigenmietwert hier nicht anzutasten. Unter anderem geht es darum, diese wichtige Einnahmequelle für die Berg- beziehungsweise Tourismuskantone nicht versiegen zu lassen. Allerdings ist ein zweispuriges System, welches Erst- und Zweitwohnungen unterschiedlich behandelt, rechtlich problematisch. Dies nur schon deshalb, weil es für gewiefte Immobilienbesitzer mit zwei oder mehreren Liegenschaften wieder neue Steuerschlupflöcher eröffnet. Ferner ist es in einem zweispurigen System mit dem angestrebten Ziel der Gleichbehandlung auch nicht weit her.
 

Telefon
Karte
Webseite
E-Mail