Neuigkeiten |

Alles wird besser, mutiger, kreativer, echter.

24.03.2020

Aktion «Nachbarschaftshilfe» beim Dorfladen in Wilchingen. Martin Breitenfeldt, Pfarrer im Klettgau, Co-Geschäftsführer Bodensee-Kirchentag 19./20. September in Schaffhausen

Keine Panik auf der Titanic: Hingegeben spielt die Schiffskapelle, während die Unsinkbare leise absackt. Oft ist mir dieses Bild gekommen: Ich erbaue die letzten Passagiere, während das prachtvolle Schiff namens Kirche unbemerkt untergeht im Eismeer allgemeinen Desinteresses. «Closer my God to thee…»
Doch derzeit weiss ich wieder, warum ich angeheuert habe und als Pfarrer an Bord bin. Keine Panik auf der Titanic: Ich erlebe im kritischen Moment um mich herum Gelassenheit, Verantwortungsbewusstsein und Handlungsbereitschaft. Ich glaube, wir Christen ticken so, wenn’s brenzlig wird.

Vergangenen Sonntag war die Welt noch fast die Alte, Ich kämpfte im Gottesdienst noch den Gedanken nieder, es könnte vorläufig der letzte sein. Dann war Adhoc-Brainstorming: «Wie können wir jetzt nützlich sein?». Hauptergebnis: «Nachbarschaftshilfe». Die örtliche Freikirche war parallel am Gleichen. So schlossen wir uns blitzschnell miteinander und mit der politischen Gemeinde zusammen. Offene Türen, grosse Bereitschaft … – alles ging leicht. Schon läuft die Aktion: Projektleiterin, Telefonnummer, Website, Infoflyer in allen Häusern, zwei Dutzend Hilfswillige am Start und der erste Senior, der froh ist, für Kommissionen nicht mehr unter die Leute zu müssen. Gleichzeitig dachten wir uns: Wenn wir uns nicht mehr würden treffen können, dann würden wir es mental tun. Das ist eine vergessene Sitte: Wenn die Kirchenglocken läuten, vereinen sich Menschen, wo sie gerade sind, im Gebet für Ort, Kanton, Land und Welt. Nicht weil Gott uns plagt und durch Gebet beschwichtigt werden müsste. Sondern weil Beten eint und für Gläubige dazugehört wie Atmen.

Am Montag dann erlebte ich meine erste Videokonferenz. Das funktionierte, machte Spass und sparte Zeit. Nächste Erfahrung: Seelsorge per Telefon – Viel konzentrierter als beim Hausbesuch, weil ohne ablenkendes – «Ach nehmen Sie doch noch ein Stück, Herr Pfarrer!». Unterdessen informierten Pfarrkollegen, wie Gottesdienste internetgestützt gesendet, Andachten «gestreamt» werden könnten. Am Abend dann kam’s dick: Die Landeskirche untersagt ab sofort alle direkten Begegnungen und Treffen. Wir sollen niemanden mehr aus der Nähe sehen – ausser Sterbende vielleicht. Radikal, aber richtig.

Hindert die Vollbremsung das Kirche-sein? Es gibt von Alters her eine Formel dafür, was Kirche ausmacht: «Diakonía, Leiturgía, Koinonía, Martyría». Übertragen: Die Kirche lebt im Zusammenspiel von solidarischer Tat, spiritueller Feier, gelingender Gemeinschaft und überzeugendem Weitersagen. Ist es jetzt aus damit? Nach dieser ersten, surrealen Woche scheint mir eher das Gegenteil der Fall. Plötzlich werden viele innovativer, schneller, gemeinschaftsfähiger, grosszügiger und opferbereiter. Und die Bedenkenträgerinnen und Ewig-Diskutierenden schweigen für einmal.

Ein normaler Frühling für alle wäre mir lieber gewesen. Ohne einsame Alte, ohne ratlose Alleinerziehende und Hoteliers und Obdachlose, ohne Sterbenskranke. Auch ist mir die unsichere Stille nicht geheuer. Und doch glaube ich, dass auch in dieser Krise eine Riesenchance liegt. Für einmal ist die Routine unterbrochen. Ja, «alles hat seine Zeit», auch ein «Reset»! Danach geht kein anschlussloses «Weiter wie vorher», wie bei Dornröschen. Nein, es wird anders. Besser. Mutiger. Kreativer. Echter. Ich freue mich schon auf den Neustart. Auf die verdrückten Freudentränen, wenn wir einander beim Friedensgruss hemmungslos die Hand reichen und wieder Abendmahl feiern. Closer my God to Thee. Auf jeden Fall. Aber ohne Untergang!

Miteinander feiern
Radio Munot und Schaffhauser Fernsehen bieten zusammen mit den Landeskirchen Gottesdienste an, die auch im Internet empfangen werden können.

Lokal helfen
Kirchgemeinden und Pastoralräume sind dabei, die Not der Menschen zu lindern und auch Nahrung für die Seele zu bieten. Neben Hilfsangeboten und Seelsorge per Telefon gibt es auch Videos im Internet und Gebetsaufrufe.Kontakt über Pfarrämter und Webseiten.

Zeichen der Hoffnung
Schweizweit werden donnerstags um 20 Uhr Kerzen vor das Fenster gestellt und zum Gebet eingeladen bis an Gründonnerstag alle Glocken zum Abendgebet läuten.

Sonntag, 22. März:
Radio Munot
9.00 bis 9.50 Uhr Radiogottesdienst
«Der Herr, mein Hirte führet mich» Pfarrerin Heidrun Werder aus
Thayngen-Opfertshofen, u. a.
Jodel: Stefan Steinemann
Lied: Martina Winzeler

Schaffhauser Fernsehen
10.00 bis 10.30 Uhr Fernsehgottesdienst
«Mit Hoffnung Distanz überwinden» Schaffhauser Münster
Pfarrer Matthias Eichrodt
Präsidentin Bettina Hoffmann
Mesmerin Jeannette Duvoisin
Organist Peter Leu
Kollekten: www.brotfueralle.ch, www.fastenopfer.ch

Internet
www.ref-sh.ch/feiernundhelfen
www.kathschaffhausen.ch
www.christkatholisch.ch

KEIN GOTTESDIENST – WAS NUN?
Gebet verbindet – mit den Mit menschen, mit der Schöpfung und mit Gott. Viele beten jetzt, wenn sie Kirchenglocken hören. Ein Gebet, verbunden mit dem Unser Vater, könnte so gehen: Gott, segne unseren Ort, unser Land, unsere Welt! Schenk uns Gelassenheit und die Fähigkeit, das Richtige zu tun und zu lassen. Sei bei den Kranken und den Sterbenden. Gib den Frauen und Männern in Verantwortung einen klaren Kopf und allen, die jetzt besonders gefordert sind, Durchhaltevermögen. Wir danken dir, dass wir nicht allein sind. Amen.
Telefon
Karte
Webseite
E-Mail